20 November 2006

Bundespräsident schaltet sich ein!

Nun werden wir mit unserem Protest wohl doch ernst genommen! Nach der Anfrage im Hessischen Landtag hat nun, in Reaktion auf den Brief, den wir Protestierenden Ende September an Bundespräsident Horst Köhler schrieben (als PDF auf unserer Institutsprotestseite), auch das Bundespräsidialamt über das zuständige hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst die Leitung der Philipps-Universität zur unverzüglichen Stellungnahme aufgefordert. Diese wandte sich nun durch Frau von Heydwolff aus der Rechtsabteilung, der, wie sie sich ausdrückte, "das Ministerium im Nacken" sitzt, an das Institut für Philosophie, um sich - endlich einmal - vor Ort nach der Lage zu erkundigen. Damit sollten unqualifizierte Äußerungen wie die von Vizepräsident Claas - das Institut solle sich erst einmal seiner "schlafenden Kapazitäten" bewusst werden - hoffentlich aufhören.
Weiterhin ist die Universitätsleitung - zumindest in Form der Rechtsabteilung - nun auch endlich bereit, sich einmal mit Mittelbauvertretern des Fachbereichs zu treffen: Auf die Anfrage, die ich diesbezüglich vor zwei Wochen beim Sekretariat des Präsidenten gestellt hatte, erhielt ich ja nicht einmal eine Antwort - jetzt läßt sich der Präsident dafür entschuldigen.
Und vielleicht ist ja auch - entgegen den Unkenrufen einiger Leute - durchaus etwas zu gewinnen: Frau von Heydwolff sagte, daß sie wenigstens unsere Forderung nach zusätzlichen Mitteln (also nicht aus dem Topf des Fachbereichs) für die seit langem benötigte Philosophie-Didaktikstelle als gerechtfertigt ansähe und daß da wohl auch was zu machen sein würde.

15 November 2006

Jetzt geht die Rechnerei los...

Seit Anfang Oktober ist eine Lehrverpflichtungsverordnung des Landes Hessen in Kraft: http://www.uni-marburg.de/administration/recht
Wissenschaftliche Mitarbeiter, selbst solche auf Halbtagsstellen, d.h. etwa Doktoranden mit 'lediglich' Diplom- oder Magisterabschluss und zudem ggf. ohne jedwede didaktische Ausbildung oder Erfahrung, scheinen nun per Verordnung zur Lehre befähigt zu sein und (eigenverantwortliche) Lehre anbieten zu müssen. Damit wird unseres Erachtens auch § 77 des Hessischen Hochschulgesetzes ("Nichtamtliche Neufassung" vom 20. Dezember 2004 (GVBl. I S. 466)), auf den unsere Arbeitsverträge verweisen, in wenigstens fragwürdiger Weise ausgelegt:
(1) Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erbringen wissenschaftliche Dienstleistungen zur [sic! nicht "in"] Organisation, Vorbereitung und Durchführung von Forschung und Lehre, in der Betreuung wissenschaftlicher Sammlungen und Geräte und im Betrieb wissenschaftlicher und der Krankenversorgung dienender Einrichtungen. Zu den wissenschaftlichen Dienstleistungen gehört auch, Studierenden Fachwissen und praktische Fertigkeiten zu vermitteln und sie in der Anwendung wissenschaftlicher Methoden zu unterweisen, soweit dies zur Gewährleistung des erforderlichen Lehrangebots notwendig ist. Die Übertragung von Vorlesungen, Seminaren, Übungen und anderen Lehraufgaben, wie sie von Mitgliedern der Professorengruppe wahrgenommen werden, bedarf eines Lehrauftrags. [kursiv durch W.W.]
Formeln wie 'Qualitätssicherung für die Lehre' werden durch die Umsetzung der Verordnung (endgültig) zur Farce.

Die Leitung der Philipps-Universität besteht nichtsdestotrotz darauf, wie eine Anfrage des Instituts für Philosophie bei der Rechtsabteilung ergab. In der Antwort heißt es dann:
Nach allem und unter dem Vorbehalt, dass mir die einschlägigen Unterlagen vorliegen, verletzen die Mitarbeiter Warnecke, Thun und Schepelmann ihre Dienstpflichten, wenn sie sich nicht in dem oben beschriebenen Umfang an der Lehre beteiligen.
Dass wir bislang freiwillig ein Vielfaches der nun eingeforderten Lehre übernommen haben, wird ebenfalls ignoriert. Auf unsere unentgeltliche, freiwillige Mit- bzw. Mehrarbeit verlassen sich Hochschulleitung bzw. Land in geradezu unverschämter Weise, zudem sehen wir uns mit öffentlichen Schmähungen konfrontiert: So verweist das Universitätspräsidium - damit selbst bei Berücksichtigung der oben genannten Verordnung die eigene Unwissenheit unter Beweis stellend - auf "umfangreiche schlafende Kapazitäten" an unserem Institut. Der offiziellen Anfrage der Fach- und Statusgruppenvertretung am Fachbereich um ein Gespräch mit dem Präsidium wird nicht einmal mit einer Absage gewürdigt. Hingegen gibt einer der Vizepräsidenten in einem Rundfunkinterview (vgl. http://www.uni-marburg.de/fb03/philosophie/aktuelles/news/lehrausfallinfo) zum Besten: "Ich könnte mir den Spaß machen und jetzt auf die Bezahlung von Sokrates hinweisen, dem es um die Sache selber ging." Er lässt damit ein recht interessantes Bild der Hochschulfinanzierung anklingen - sollte aber vielleicht auch berücksichtigen, dass gerade Sokrates sich das Philosophieren nur leisten konnte, da er eine umfangreiche Erbschaft angetreten hatte und außerdem der Anerkennung, gar Hochachtung seiner Gesellschaft sicher sein durfte.

08 November 2006

Uni-Präsident rät Studierenden zu Klagen

Die Oberhessische Presse hat kürzlich einen Artikel zum Protest der Marburger Pädagogik-Studierenden gegen unzumutbare Studienbedingungen gebracht. Interessant an dem Artikel sind die Äußerungen von Präsident Volker Nienhaus. So rät er den StudienanfängerInnen der Pädagogik gegen unzumutbare Studienbedingungen zu klagen.
Die Finanzkrise der Universität gibt Nienhaus unumwunden zu. Ebenso seien in einigen Studienfächern, Massenfächer wie "Erziehungswissenschaften, die Fremdsprachlichen Philologien und die Gesellschaftswissenschaften" gegenwärtig keine "vernünftigen Studienbedingungen zu gewährleisten".
Dies ist nicht wirklich neu, doch nichts gutes lässt Nienhaus' Ankündiung erahnen, dass es Einschnitte in das Lehrangebot gebe. Dies könne sich etwa darin zeigen, dass "nicht mehr alle denkbaren Wahlmöglichkeiten für Studierende" angeboten werden.

06 November 2006

Orientierungsloses Rabatt-Programm

In der Zeitschrift der GEW Hessen, HLZ 11/2006, ist ein Artikel von uns zur Situation der Marburger Philosophie erschienen.

04 November 2006

Misere auch bei den Exzellentesten

In der SZ ist ein aufschlussreiches Interview über die Situation an der "Elite-Uni" LMU München erschienen. Dort gab es kürzlich auch einen ähnlichen Protest in der Ethnologie.

02 November 2006

Worum es geht

Die nicht zur Lehre verpflichteten Lehrbeauftragten des Instituts für Philosophie der Philipps-Universität Marburg lassen im Wintersemester 2006/2007 aus Protest ihre Veranstaltungen ausfallen. Der Anlass war die Nichtbesetzung einer schon zugesagten Vertretungsstelle, was für zwei langjährige Angehörige der Universität den kurzfristigen Entzug ihres Lebensunterhalts bedeutete. Für die Marburger Philosophie wurde mit dem Protest deutlich, dass der Lehrbetrieb auf ehrenamtliche oder durch Lehraufträge (symbolisch) vergütete Mitarbeit angewiesen ist.
Doch ist die Lage in Marburg nur Ausdruck einer bundesweiten Misere. Auf der einen Seite steht die Reform der Universität z.B. in Gestalt neuer Studiengänge, auf der anderen Seite drohen aber ständige Mittelkürzungen, die unter anderem auf dem Rücken des sogenannten Mittelbaus ausgetragen werden. Die Exzellenz-Initiative findet - wie auch immer ihr Nutzen für die Wissenschaft zu bewerten ist - schließlich vor dem Hintergrund allerorts fehlender Mittel für die Universitäten statt. So fehlen allein in der Marburger Philosophie zweieinhalb Mitarbeiterstellen. Die steigende Arbeitsbelastung wird natürlich auf die verbliebenen Mitarbeiter zurück, unter der die eigentliche wissenschaftliche Arbeit leidet.
Der "wissenschaftliche Nachwuchs" muss sich nicht nur auf ein Berufsleben in prekären Arbeitsverhältnissen einrichten, sondern auch in einer Institution, die bei allem Reformwahn kaum Perspektiven bietet, wie sich eine wissenschaftliche Karriere zukünftig gestalten soll.
Wir fragen uns, welche Funktion der Mittelbau in der Universität hat.
Dieser Blog soll zum einen über die Marburger Situation informieren, aber auch ein Ort sein, in dem über Rolle und Zukunft einer wissenschaftlichen Karriere diskutiert werden soll.